Eigentlich dachte sie, ihr Vater würde nur kurz für eine Herzoperation im Spital sein. «Er hat schon eine frühere Operation gut überstanden, deswegen waren wir positiv gestimmt», sagt S. Nach der Operation hatte ihr Vater allerdings Atemprobleme. Deswegen wurden aus der kurzen Zeit fünf Wochen auf der Intensivstation der Klinik Hirslanden in Zürich. Schliesslich starb ihr Vater dort.
Während dieser Zeit wurden S. und ihre Familie von der Familienpflege betreut. «Als ich am Anfang gefragt wurde, wie es mir gehe, sagte ich, es gehe eigentlich um meinen Papi, nicht um mich. Mir gehe es gut.» Aber genau dafür sind die Familienpflegenden da – für die Angehörigen.
Start als Forschungsprojekt der Uni Zürich
Im Dezember 2024 hat die Klinik Hirslanden die familienzentrierte Betreuung auf der Intensivstation eingeführt – als erstes Spital der Schweiz. Der Ursprung war ein Forschungsprojekt der Universität Zürich. Als Klinikdirektor Marco Gugolz davon hörte, war ihm klar: «Da sind wir sofort dabei!»
Denn vor ein paar Jahren war ein Familienmitglied von Gugolz mehrere Monate auf der Intensivstation. «Erst nach Wochen fragte jemand uns Angehörige, wie es eigentlich uns gehe. Darauf sind wir in Tränen ausgebrochen.»
Offene Fragen, Verunsicherung und Belastung
Wenn Patientinnen oder Patienten mehrere Tage auf der Intensivstation der Klinik Hirslanden bleiben, schwer erkrankt oder in einem lebensbedrohlichen Zustand sind, melden sich die Familienpflegenden bei den Angehörigen.
Familienpflegerin Stefanie Henkensmeier sagt: «Ihr Familienmitglied ist hier gut versorgt, wir kümmern uns um die Angehörigen und darum, was sie an Unterstützung brauchen.» Denn auch bei den Angehörigen seien viele Fragen offen. Sie seien verunsichert und emotional belastet: «Bei unserer Arbeit geht es darum, die Familie in ihren Ressourcen zu stärken.» Dies verhindere, dass die Angehörigen selbst gesundheitliche Probleme bekämen, und gleichzeitig fördere der Rückhalt in der Familie die Genesung der Patientinnen und Patienten.
Seit der Einführung vor einem halben Jahr konnte die Familienpflege Erfahrungen gewinnen. Etwa, dass es nicht reicht, montags, mittwochs und freitags anwesend zu sein. Es braucht die Familienpflege jeden Werktag. Auch zeigte sich, wie wichtig es ist, die Angehörigengespräche in einem separaten Raum zu führen: «Die Angehörigen möchten in Anwesenheit der Patienten oft nicht über ihre Sorgen und Probleme sprechen», sagt Stefanie Henkensmeier.
Interesse anderer Spitäler
Wenn die Pflegenden selbst nicht weiterhelfen können, kontaktieren sie Fachstellen – etwa wenn jemand psychotherapeutische Hilfe braucht oder der Sozialdienst unterstützen kann. Die Familienpflege hilft nicht nur den Angehörigen, sondern entlastet auch die Pflegenden, die sich so auf die Patientinnen und Patienten konzentrieren können. Derzeit finanziert die Klinik Hirslanden das Angebot aus der eigenen Tasche, ausserhalb des Budgets.
Das lohne sich, sagt Direktor Marco Gugolz. Die Rückmeldungen auf die Familienbetreuung seien ausnahmslos positiv. Auch andere Spitäler hätten schon Interesse gezeigt am Modell: «Ich hoffe, dass es Einzug findet in ganz viele Spitäler in der Schweiz.»
Angehörige S. fühlte sich durch die Familienpflege gut vorbereitet auf den Tod ihres Vaters: «Es ist wichtig, dass jemand da ist, der einen stützt. Jemand, den man alles fragen kann und der sich Zeit nimmt.»