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Humanitäre Hilfe Budgetkürzungen für die humanitäre UNO-Hilfe sorgen für Unruhe

Die humanitäre Nothilfe ist in Not. Nicht nur die USA, auch andere Geldgeber streichen ihre Budgets für humanitäre und Entwicklungshilfe zusammen. Seit Jahren finanzieren bloss gut ein halbes Dutzend Länder rund drei Viertel der internationalen Nothilfe – ein Klumpenrisiko. Das rächt sich nun.

Die Abhängigkeit der weltweiten humanitären Hilfe von einer kleinen Gruppe fast ausschliesslich westlicher Länder ist ein Klumpenrisiko, das nun zur akuten Krise wird. Finanziert wird die UNO-Organisation für Nothilfe, die Ocha, zum allergrössten Teil von den USA, mit Abstand der bedeutendste Financier, gefolgt von Deutschland, der EU, Grossbritannien, Japan, Schweden, Saudi-Arabien und Norwegen.

Gebäude mit vielen Nationalflaggen auf beiden Seiten eines Weges.
Legende: Im europäischen UNO-Hauptquartier in Genf ist man wegen der Budgetkürzungen für die humanitäre Hilfe nervös. REUTERS / Denis Balibouse

Doch nun ziehen sich die USA abrupt zurück. Auch Deutschland, Grossbritannien, Frankreich, die Niederlande und Schweden künden Kürzungen an. UNO-Generalsekretär António Guterres hofft, dass diese Entscheidungen rückgängig gemacht werden. Die Chancen sind gering. Und es spricht wenig dafür, dass sich Guterres' zweite Hoffnung erfüllt, nämlich dass andere Länder in die Bresche springen. Bisher verspricht einzig Norwegen, mehr zu zahlen.

In Genf, dem Weltzentrum der humanitären Hilfe, herrscht Panik.
Autor: Tammam Aldouat The New Humanitarian

Es sei völlig offen, wie andere Regierungen auf den US-Rückzug reagieren werden, sagt Samantha Power, die bis zum Amtsantritt von Präsident Donald Trump die riesige US-Hilfsbehörde USAid geleitet hat. «In Genf, dem Weltzentrum der humanitären Hilfe, herrscht Panik», sagte dieser Tage in einer Diskussion Tammam Aldouat von «The New Humanitarian», einer auf humanitäre Fragen und Entwicklung spezialisierten Medienplattform: «Es heisst nun, humanitäre Organisationen sollten halt die Strukturen verschlanken, Prioritäten setzen, den Geldgeberkreis ausweiten. Das tun sie seit Jahren. Doch nun müssen sie Nothilfeleistungen rationieren, sich mancherorts zurückzuziehen.» Aldouat befürchtet den Kollaps des humanitären Systems.

Wie kam es zum Klumpenrisiko und wie geht es weiter?

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Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es gute Gründe für die fast totale Abhängigkeit von westlichen Geldgebern. Der Grossteil der nicht-westlichen Welt war arm, also Hilfsempfänger und nicht Spender. Mittlerweile ist die Situation völlig anders. Es gibt auch ausserhalb Europas und Nordamerikas wohlhabende Länder. Gerade die Schwellenländer in der Brics-Gruppe, zu der China, Russland, Indien oder Brasilien gehören, treten äusserst selbstbewusst auf und reklamieren weltpolitisch mehr Einfluss. Doch das heisst offenkundig nicht, dass sie mehr Verantwortung übernehmen.

Während Russland gar nicht hilft, tut das China punktuell durchaus. So neulich nach den Erdbeben in Myanmar. Die reichen Golfstaaten wiederum unterstützen vorab muslimische Hilfsbedürftige. Diese Staaten helfen also, aber stark eigen­interessen­orientiert: Dort, wo sie ihren Einfluss ausbauen wollen, dort, wo ethnische oder religiöse Bande bestehen. Mit neutraler Nothilfe, die sich ganz an der humanitären Dringlichkeit orientiert – wie das die UNO oder das IKRK tun – stimmt das nicht überein.

Ein konkretes Beispiel nennt Winnie Byanyima, die Chefin von UN Aids, einer Organisation, die besonders stark von den US-Kürzungen betroffen ist: «Wir werden einen gewaltigen Anstieg von HIV-Ansteckungen erleben und wieder Todeszahlen wie in den 1990er- und den Nullerjahren haben.»

Bislang war die Finanzierung humanitärer Hilfe unproblematisch

Weder der UNO noch Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz gelang es, in bedeutendem Ausmass neue Länder, Grosskonzerne oder Stiftungen als regelmässige Spender zu gewinnen.

Die Entwicklungshilfe ist seit Jahren umstritten. Die humanitäre Hilfe indes fand bisher breite Unterstützung und liess sich – zwar nicht immer mühelos – finanzieren. Damit ist nun Schluss. Die grosse offene politische Frage ist, ob das jetzt die Akteure in Kriegs- und Katastrophengebieten – Regierungen, Milizen oder Terrororganisationen – zwingt, selber mehr zu tun, um Not zu lindern. Oder ob einfach viel mehr Hilfsbedürftige sterben.

Echo der Zeit, dd.mm.2025, 18 Uhr; sten

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